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Kieferorthopädie und Schluckstörung?

21
Mai
Dina Roos

Regelmäßig erreichen mich Anrufe besorgter Eltern, weil die Kieferorthopädin / der Kieferorthopäde ihnen erklärt hat, ihr Kind habe eine Schluckstörung.

Das Wichtigste zuerst: Was das Internet Ihnen ausspuckt, wenn Sie nach ‚Schluckstörung‘ suchen, mit aller Wahrscheinlichkeit ist nicht das, was Ihr Kind hat.

Wenn Sie im Internet den Suchbegriff ‚Schluckstörung‘ eingeben, dann bekommen Sie schnell Informationen zur sogenannten ‚Dysphagie‘. Die Gefahren, die mit solch einer neurologisch oder onkologisch bedingten Schluckstörung einher gehen, bestehen bei Ihrem Kind nicht. 

Ihr Kind hat nichts Bedrohliches, sondern etwas, was nervt, weil man etwas Zeit und Energie investieren muss, wenn man es korrigieren möchte. Und eine solche ‚Schluckstörung‘ zu korrigieren, macht durchaus Sinn, weil Ihr Kind dann im Erwachsenenalter Geld spart und ein geringeres Risiko hat, irgendwann Kiefergelenksprobleme oder wieder eine Zahnfehlstellung zu bekommen.

Zahnfehlstellungen, Kieferfehlstellungen und / oder Gebissanomalien, wie sie in der Kieferorthopädie behandelt werden, können mit dadurch verursacht worden sein, dass die Zunge beim Schlucken an die falsche Stelle drückt. Unsere Zunge hat eine erstaunliche Kraft. So passiert es, dass die Zunge den Kiefer und die Zahnstellung formt – und manchmal eben in eine falsche Position schiebt.

Wenn dies eine Ursache für die Zahnfehlstellung Ihres Kindes ist, dann sagt Ihnen die Kieferorthopädin, Ihr Kind schluckt falsch.

Diese Art der Schluckstörung bezeichnen wir auch als atypisches Schluckmuster.

Wie kann es zu solch einer Zungenfehlfunktion kommen? 

Ganz einfach zu erklären: Wenn Ihr Kind gerne am Daumen gelutscht hat, den Schnuller geliebt hat und lange nicht hergeben wollte oder einfach oft Erkältungen hatte und durch den Mund geatmet hat, dann hat das eine Auswirkung auf die Position und Spannung der beteiligten Muskelgruppen. So lernt das Gehirn, eine falsche Muskelfunktion der Zunge und der Lippen als normal abzuspeichern. Und schon wird ein Verhaltensmuster gelernt, das für eine gesunde Zahnstellung nicht förderlich ist.

Wie kann das therapiert werden?

Die Behandlung besteht grob aus 2-3 Bereichen

  1. Muskeltraining, damit die Muskulatur mit gesunder Kraft und Beweglichkeit arbeiten kann
  2. Verhaltenstraining – wir müssen ein gesünderes Schluckmuster lernen und dann so oft wiederholen, dass das Gehirn es als das neue ‚Normal‘ abspeichert.
  3. Wenn zusätzlich zur Muskelkraft und -Beweglichkeit auch eine Wahrnehmungsstörung in der Mundhöhle besteht, dann trainieren wir mit Ihrem Kind auch, den Mund besser zu spüren.

Wie lange dauert so eine Behandlung?

Das hängt vor allen Dingen davon ab, wie viel Ihr Kind (d.h. Sie mit Ihrem Kind) zu Hause trainiert. Wenn ein Bewegungsmuster umtrainiert werden soll, dann reicht 1x/Woche Logopädie nicht aus. Aber wenn Sie einen Weg finden, die Zungen- und Lippenübungen, die wir Ihnen zeigen, so viel wie möglich in den Alltag integrieren, dann können Sie das mit einem 10er-Rezept gut schaffen. Bei stärkeren Fehlstellungen brauchen wir auch mal 20 Stunden. Das ist aber eher selten.

Konnte ich Sie ein bisschen beruhigen? Ich hätte sonst noch einen:

Ich selbst hatte als Kind ein atypisches Schluckmuster. So habe ich den Beruf der Logopädin kennen gelernt. Sie sehen also, das fehlerhafte Schluckmuster, von dem Ihre Kieferorthopädin gesprochen hat, ist keinerlei Grund zur Sorge. Man kann nach erfolgreicher Korrektur sogar selbst Logopädin werden.